7. Stadtrand-Spaziergang in Lichtenrade

Unser 7. Stadtrand-Spaziergang in Lichtenrade begann an der Groß-Ziethener Straße hinter der Lichtenrader Ortsgrenze. Der Mauerweg ist hier nicht asphaltiert, sondern führt als schmaler Sandweg über eine wunderschöne grüne Wiese.

7. Stadtrandspaziergang Lichtenrade: Wir atmeten frei am Stadtrand und genossen die wohlige Frühjahrssonne wie auch die angenehmen Temperaturen - herrlich!
Wir atmeten frei und genossen die wohlige Frühjahrssonne und auch die angenehmen Temperaturen – herrlich!

Wir gedenken Horst Kullack beim 7. Stadtrand-Spaziergang in Lichtenrade

Wir starteten wieder mit einem Lied:

„Die Mauer ist weg!
Komm und sieh, welch schönes Land,
Wald und Felder am Stadtrand!“

Den Weg wies uns eine orangene schlanke Stele, die an das 3. Lichtenrader Maueropfer erinnert. Es erinnert an einen jungen Mann, der Verständnis und Hilfe gebraucht hätte, nicht aber eine Kriminalisierung und erst recht keine Gewehrkugeln!

Horst Kullack wuchs als Ältester von fünf Geschwistern im Dorf Großziethen auf. Ohne eine Berufsausbildung arbeitete er als Transportarbeiter in einem Betrieb in Zeesen und kümmerte sich um das Vieh und den Garten seiner Eltern. Es heißt, dass er in seiner Kindheit „mehr Schläge als Essen bekommen“ habe: Er wird im Dorf gehänselt und hat kaum Freunde.

7. Stadtrand-Spaziergang: Wiesen, Felder und Wege verbinden die Orte untereinander.
7. Stadtrand-Spaziergang: Über Wiesen, Felder fanden wir unseren Weg am Stadtrand von einem Ort zum anderen.

1968 wird gegen ihn wegen „Staatsverleumdung“ ermittelt, weil er Grenzsoldaten als „Schweine, Verbrecher und Mörder“ beschimpft und verkündet hatte, dass er zu seiner Großmutter nach West-Berlin flüchten wolle. Ein psychiatrisches Gutachten erklärt ihn jedoch für nicht zurechnungsfähig …

Am Silvesterabend 1971 macht sich Horst Kullack auf den Weg zur Grenze. Gegen 22.00 Uhr klopft er im Sperrgebiet an das Fenster eines Hauses, fragt nach dem Weg und erklärt, er wolle „nach West-Berlin abhauen“, worauf der Bewohner die Grenzer informiert.
Als Horst Kullack aber an die Mauer kommt, steht er plötzlich im Scheinwerferlicht. Ohne Vorwarnung geben zwei Grenzposten gezielte Schüsse auf ihn ab. In den Bauch getroffen bricht Horst zusammen. „Die gut organisierten Handlungen führten dazu, dass die Bekämpfung und Bergung des Grenzverletzers vom Gegner nicht bemerkt wurden“, heißt es im Bericht des Grenzkommandos.
Horst Kullack stirbt im Krankenhaus nach fünf vergeblichen Operationen.

Die Todesschützen sühnten erst 23 Jahre später

Mehr als 23 Jahre später werden die beiden Todesschützen zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt. Einer von ihnen besitzt die Courage, sich persönlich beim Vater des Opfers für seine Tat und das Leid, das er der Familie zugefügt hat, zu entschuldigen.

Nach diesem bedrückenden Auftakt erwartete uns ein wunderschöner Weg mit kräftigen Birken, Sand und Wiesen, so dass wir uns in die Lünebuerger Heide versetzt fühlten. Wie herrlich! So betörend der Duft der blühenden Holunderbüsche! Zur rechten Hand immer wieder Durchblicke auf das freie Land mit Korn- und Rapsfeldern.

Der Holunderbusch säumt den Weg.
7. Stadtrandspaziergang Lichtenrade: Der Holunderbusch säumt den Weg. Birken luden zur Rast ein. Bei Holundersaft stärkten wir unser Immunsystem.

Am Rand einer Streuobstwiese haben wir schließlich Rast gemacht. Es gab für alle selbstgemachten Holunderblütensaft, und Gerhard hat Geschichten vom Holunder erzählt: In Mythologie und Märchen spielte der Holunderbaum schon bei den Griechen, Römern, Kelten und Germanen eine große Rolle. Er wurde als Beschützer von Haus und Hof verehrt und ersetzte als Heilpflanze eine ganze Apotheke. Mit seinen Blüten wie mit seinen schwarzen Beeren erlebt er heute eine große Renaissance als gesundes wie leckeres Lebensmittel.

Mit der 8. Stadtrandführung wollen wir die Erkundung des südlichen Mauerwegs abschließen: Am Sonntag, den 11. Juli 2021 um 15 Uhr geht’s vom Töpchiner Weg Ecke Warmensteinacher Straße (Bus M 172) bis zur Rudower Stadtgrenze.

In Gruppe unterwegs, um den Mauerweg zwischen Groß-Ziethener Straße hinter der Lichtenrader Ortsgrenze zu erkunden.
In Gruppe unterwegs, um den Mauerweg zwischen Groß-Ziethener Straße hinter der Lichtenrader Ortsgrenze zu erkunden.

Text: Gerhard Moses Heß, Fotos: Michael Zins

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