Agathas altes Berlin ist die verbesserte Buchproduktion von Herbert Friedrich Witzels Verlag Worttransport.de. Sie enthält Erinnerungen der A. Nalli-Rutenberg.
1907 schrieb Nalli-Rutenberg erstmals ihre Erinnerungen an und als »Mein liebes altes Berlin« auf. 1912 folgte die verbesserte Neu-Ausgabe »Das Alte Berlin«, die nun, von Witzel aus der Frakturschrift übertragen, sanft redigiert und klug bebildert, in seiner »A&O-Reihe« (Aufgefrischte Originaltexte) und natürlich als »Buch ohne Eselsohren« eine bibliophile Wiedergeburt erlebt. (Aus Kiez und Kneipe Neukölln)
»Agathas altes Berlin«, 204 Seiten, 20 €, worttransport.de Verlag, E-Mail: witzels-worttransport@web.de
Warum dieses Buch?
An ein Berlin vor Weltkrieg I, Versailler Vertrag, Weltkrieg II und EU I, wie es Agatha Nalli-Rutenberg hier beschreibt, an so ein Berlin des Friedens konnte sich Witzel schon gar nicht mehr erinnern. Und doch hat es das gegeben, Spuren davon sind noch da.
Außerdem wusste er gar nicht, dass es auch einen Berliner Vampir gab, dessen Konterfei heute noch als „Kaaks“ im Nikolaiviertel zu finden ist — siehe S. 147 ff.
Ansonsten gilt: „Berlin kann nie fertig werden.“ Klaus Lederer (ein Bürgermeister Berlins auf der Reservebank im Tagesspiegel vom 21.08.2017)
Das Geleitwort zum Buch
Ernst Friedel (1837—1918), Berliner Kommunalpolitiker, Stadtältester sowie früherer Vorsitzender des Vereins für die Geschichte Berlins, schrieb 1912 im Geleitwort:
Es liegt in der weiblichen Auffassung und Darstellung solcher biographischer Einzelheiten und Geschehnisse doch noch etwas Eigenartiges, das uns Männern mangelt. ― Alles in allem ein fesselndes, erheiterndes, belehrendes Werk, dem Leserkreis beiderlei Geschlechtes bestens empfohlen.
Im Folgenden greift sich Herbert Witzel, der Verlagsinhaber von worttransport.de, einige Ortschaften, die Agatha Nalli-Rutenberg vertraut gewesen sind, heraus und stellt sie uns kurz vor.
An der Fischerbrücke
In Agathas altem Berlin sah es in der Gegend an der Fischerbrücke, wo sie geboren und aufgewachsen ist, ungefähr so aus:
Eine Ansicht an einem Tag im Sommer. Unwillkürlich fühlt sich Witzel Heinrich an Zilles Hinterhof-Romantik erinnert.
Die Spree im Winter
Später, als Berlin zur Stadt herangewachsen war, sah es an der Spree eher so aus ― jedenfalls im Winter:
Ein Winter mit gefrorenen Eisflächen, die Abwechslung boten.
Fanchonzeck
Ein beliebtes Kinderspiel an der damaligen „Königlichen Elisabeth-Schule“, die Agatha besuchte, hieß „Fanchonzeck“:
Fanchonzeck meint einfaches Nachlaufen bzw. Einkriegezeck. Es ist ein „Spiel, bei dem ein Kind die anderen fangen und mit leichtem Schlag berühren muss“ [DUDEN].
Das Rosenthaler Tor
Später wohnte Agathas Familie bei ihrem Onkel in der Gegend vorm Rosenthaler Tor, deren Entwicklung hier zu sehen ist:
Die Wiege der Telegraphie in Berlin
Das Haus des Onkels, in dem die Familie Rutenberg dann wohnte, Schöneberger Straße Nr. 33 (später Nr. 19), wurde zur Wiege der Telegraphie. Im gesamten Quergebäude hatte sich Johann Georg Halske von Siemens & Halske eingemietet und entwickelte dort seine mehr oder weniger drahtlosen Erfindungen.
Auch Mädchen turnen in der Hasenheide
Was damals noch ganz neu war in Neukölln und dort heute, so scheint ist, an Ansehen eingebüßt hat, ist das Turnen für Mädchen. Agatha ging einfach mit ihrem Bruder mit in die Hasenheide.
Das Schwimmen erfunden und die erste Schwimmanstalt gegründet
Damals wurde übrigens auch das Schwimmen erfunden. Der General von Pfuel guckte es den Fröschen ab und richtete die erste Schwimmanstalt ein.
Soldatin Eleonore Prohaska kämpft gegen Napoleon
Außerdem kümmerte sich der General schon damals um die Gleichberechtigung und sorgte dafür, dass der Soldatin Eleonore Prohaska, die siegreich unter seiner Fahne gegen Napoleon gekämpft hatte, ein Denkmal gesetzt wurde.
Weihnachten in Berlin
Ansonsten herrschte in Agathas Berlin aber Frieden, und das nicht nur zur Weihnachtszeit:
Neu aufgelegt und frisch bebildert: Agathas altes Berlin
So weit, so gut. Am liebsten würde Witzel gleich den ganzen Inhalt des Buches erzählen wollen, „aber Agatha Nalli-Rutenberg kann das besser“, sagt er. Vielleicht erwischen wir ihn bei Gelegenheit bei einer seiner Buchvorstellungen? Ich werde fragen und gebe Nachricht – versprochen!
»Agathas altes Berlin«, 204 Seiten, 20 €, worttransport.de Verlag, E-Mail: witzels-worttransport@web.de
Horst-Dieter Keitel über Herbert Witzel:
Herbert Witzel, laut Selbstbezichtigung „Berliner mit Braunschweiger Migrationshintergrund und Worttransporteur“, lebt seit 1971 hier und ist einer der letzten Vertreter der legendären Bohème, die sich Anfang der 1970er-Jahre um den Maler und „Leierkasten“-Wirt Curt Mühlenhaupt im „Kreuzberger Künstlerkreis“ sammelte. Zu diesem Club gehörte auch der damals höchst populäre Literat und Grafiker Günter Bruno Fuchs, der Witzel als Nachhilfelehrer für seine Tochter engagiert hatte, sein Schreibtalent erkannte, ihm zur ersten Buchveröffentlichung verhalf und ihn mithin in der Szene etablierte. „Seitdem ist Schreiben meine Macke“, so Witzel. In den folgenden Jahrzehnten veröffentlichte er unter anderem in überregional namhaften Zeitungen vor allem satirische Kurzgeschichten.
Auszüge aus Kiez und Kneipe Neukölln vom 4. November 2022:
Herbert Friedrich Witzel hat das Programm seines kleinen Neuköllner »worttransport«-Verlags um eine geschichtlich hochinteressante Preziose bereichert. Im Rahmen seiner Recherchen zum im 19. Jahrhundert in Rixdorf lebenden und auf dem »Neuen Jacobi-Friedhof« begrabenen Philosophen und Bibelkritiker Bruno Bauer stieß er auf dessen Patenkind Agathe Nalli-Rutenberg. Die 1838 auf der Fischerbrücke geborene Schriftstellerin ist die Tochter von Adolf Friedrich Rutenberg, eines Freundes von Karl Marx und Chefredakteur der »National Zeitung«. Sie war Lehrerin in Schöneberg, reiste viel durch Europa und heiratete in Italien den Römer Fausto Nalli, blieb ihrer geliebten Heimatstadt aber stets treu verbunden.