Brandenburg, ein Weinland

Der Titel klingt befremdlich. Brandenburger Weine gelten, trotz jüngster Erfolge enthusiastischer Winzer in der Mark, heutzutage bestenfalls als Geheimtipp.

Berlin und sein havelländisches Umland waren aber nicht immer weiße Flecken auf der önologischen Landkarte. Um 1500 sind in der Mark circa 500 Weinanbaustandorte bezeugt. 1509 beschloss der Rat der Stadt Spandau die Anlage von Weingärten in Gatow, und 1552 wurde den Bürgern der Neustadt von Brandenburg der zollfreie Export ihrer Weine erlaubt. Der Anbau des edlen Rebentranks war zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf dem Höhepunkt. Zu verdanken war dies vor allem der Förderung durch die Brandenburgischen Kurfürsten, die früh die wirtschaftliche Bedeutung des Weinanbaus erkannt hatten.

Historisch kochen: Weinmus

Röste Mehl oder Brot in Schmalz oder weiches, geröstetes Brot in Rosenwasser, treibe es durch ein Sieb, verrühre einige Eigelb, gib zum Ei Malvaster oder anderen köstlichen Wein, verrühre alles gut in einem Topf zu Mus. Setze diesen zum Feuer, und wenn es kocht, gibt Zimtwasser, Zucker und wenig Salz hinzu. Dies hilft bei altem, kalten oder schwachen Magen oder bei wenig Appetit. Man kann auch Saffran hineingeben, besonders für Weiber.

Amberg, 1598 aus historisch-kochen.de

Weinselige Blütezeit

Wein wurde aber nicht nur für den Export produziert. Er kann vielmehr als Grundnahrungsmittel für alle Schichten der Bevölkerung um 1500 bezeichnet werden.

Da Wasser nicht gelagert werden konnte und die städtischen Brunnen durch benachbarte Latrinen oft verunreinigt waren, wurde es als Getränk gemieden zugunsten von Molke, Wein und Bier.

Märkische Weine standen regelmäßig auf der Tafel der Kurfürsten, der Adel des Landes konsumierte sie, aber auch Bürger genossen die edlen Tropfen. Die niederen Stände tranken „Tresterwein“ aus Brandenburger Trauben, „Lorke“ genannt. Dafür wurden die Rückstände des Kelterns mit Wasser übergossen, bis ein Getränk mit einem Alkoholgehalt von 2 bis 3 Prozent entstand.

Von dieser weinseligen Blütezeit in Berlin zeugen noch Orts- und Straßennamen. So verdankt die Weinmeisterstraße in Mitte ihren Namen der Tatsache, dass sie durch die Gärten des Weinmeisters Strohse ging. Der benachbarte Weinbergweg wurde benannt nach den ehemaligen Weinbergen, die im 16. Jahrhundert dort angelegt worden waren. Trotzdem mussten aus den umliegenden Landstädten zusätzliche Weine importiert werden, um den Bedarf zu decken.

Die Oberen der Stadt Berlin profitierten von dem hohen Bedarf. 1555 wurden in den Listen der städtischen Kammer jene „fremden Weine“ aufgelistet, für die die Wirte eine besondere Steuer entrichten mussten: Brandenburger, Mittenwalder, Spandauer und Jüterboger. In Potsdam und Werder wurde Wein angebaut, auf kurfürstlichem Grund und Boden oder auf den Besitzungen der Bürger. Zwischenzeitlich war Wein sogar preisgünstiger als Bier.

Aus der Ordensregel des heiligen Benedikt: Kapitel 40: Das Mass des Getränkes
  1. Doch mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Schwachen meinen wir, dass für jeden täglich eine Hemina* Wein genügt.
    (…)
  1. Zwar lesen wir, Wein passe überhaupt nicht für Mönche. Aber weil sich die Mönche heutzutage davon nicht überzeugen lassen, sollten wir uns wenigstens darauf einigen, nicht bis zum Übermaß zu trinken, sondern weniger.
  1. Denn der Wein bringt sogar die Weisen zu Fall.

* das entspricht heutigen 0,274 Liter

aus: http://benediktiner.benediktiner.de/

Die Erfolgsgeschichte märkischen Weins
Foto: Kloster Lehnin

Mit den Mönchen kam der Wein

Der Beginn dieser Erfolgsgeschichte märkischen Weins, die im 16. Jahrhundert ihren Zenit erreicht hatte, reicht jedoch zurück ins Hochmittelalter. Mit den Zisterziensern wurde professioneller Weinanbau aus Cîteaux in unsere Breiten gebracht.

Als die weißen Mönche 1180 Kloster Lehnin gründeten, legten sie damit den Grundstein für eine rasch expandierende  Wirtschaftstätigkeit, die den Weinanbau einschloss. Die Tatsache, dass der Orden aus der Nähe eines der besten und ältesten Anbaugebiete stammt, der Côte d’Or zwischen Dijon und Beaume, befeuerte sicher die professionelle Winzertätigkeit durch die Zisterzienser. Hinzu kamen die liturgische Bedeutung des Rebensaftes als Messwein und auch seine medizinische Verwendung als Hypocras, eines stark mit Ingwer, Rosenblättern, Veilchenkraut, Rosmarin, Zimt, Muskat, Kardamom, Anissamen und Dillsamen gewürzten und mit Honig gesüßten Weins. Bald schon zogen weitere Klöster und Orden nach und legten Weinberge an, unterstützt und gefördert durch die askanischen Markgrafen, später durch die Kurfürsten aus dem Hause Hohenzollern.

Hüenre von kriechen – Hühnchen vom Griechen

Dies heißt Hühnchen vom Griechen. Man soll Hühnchen braten. Und das Fleisch eines Schweines, weich gekocht und beides gehackt und vermengt. Und man nehme ein Viertelpfund Rosenblütenblätter dazu und nehme Ingwer und Pfeffer und Wein oder Essig und Zucker oder Honig und koche das alles zusammen und serviere es und versalze es nicht.

aus dem Buoch der guoten spise, 1350 (Übersetzung aus: Mittelalter-Wiki)

Kartoffeln statt Wein

Die Geschichte des brandenburgischen Weins sollte jedoch nicht ewig währen. Sein Niedergang wurde eingeläutet durch den Dreißigjährigen Krieg, besiegelt jedoch durch Friedrich II., von dem der Ausspruch überliefert sein soll:

„Wo der Pflug kann gehen, soll kein Weinstock stehen.“

Mehrere sehr kalte Winter seit Beginn des 18. Jahrhundert schadeten dem Weinanbau massiv, immer wieder froren Rebstöcke ein und auch die nun vermehrt auftretenden kühlen und feuchten Sommer brachten Missernten und Hungersnöte. Es setzte sich die Überzeugung durch, „dass Weinanbau kein erfolgsversprechender Zweig der märkischen Landwirtschaft ist“, wie es Jürgen Walther formuliert.

Nun verlegte man sich verstärkt auf den Anbau von Kartoffeln und Futterpflanzen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam der märkische Weinanbau völlig zum Erliegen, der Import ausländischer Weine war mittlerweile rentabler und bei den niederen Schichten wurde Bier ein immer beliebter werdendes Getränk. Erst vor wenigen Jahrzehnten wandte man sich dem Wiederaufbau alter Weinkulturen in unserer Region zu und reaktivierte eine fast vergessene Tradition. Engagierte Winzer keltern mittlerweile zwischen Prenzlau und Ortrand, zwischen Brandenburg/Havel und Neuzelle, damit Brandenburger Weine nicht länger nur ein Geheimtipp sind.

Auf dem Gelände des Diakonissenhauses in Teltow gibt es Weinreben, die helle wie blaue Trauben tragen.
Weinstöcke auf dem Gelände des Diakonissenhauses Teltow
Auf dem Gelände des Diakonissenhauses in Teltow gibt es Weinreben, die helle wie blaue Trauben tragen.
Weinstöcke auf dem Gelände des Diakonissenhauses Teltow

Text und Fotografie: Ulrike Stutzky

Lektüretipp: Die Mark Brandenburg. Zeitschrift für die Mark und das Land Brandenburg, Heft 94: Bier und Wein, Brauereien, Weinanbau und Handel, 2014.

Wer die Weinregion Brandenburg vor Ort erkunden möchte, dem seien die Seiten

empfohlen. Informationen über den aktuellen Weinbau in Brandenburg gibt es zu lesen bei:

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