1979 besetzt Juppi Becher die UfaFabrik

Es geschah vor 42 Jahren, am 9. Juni 1979: „Es war ein Sonnabend“, erinnert sich UfaFabrik-Urgestein Juppi. An diesem Tag hat er als An- und Rädelsführer von rund 100 Kommunarden das Gelände an der Viktoriastraße 10 – 18 handstreichartig besetzt und bis heute gehalten.

Die Besetzung des seinerzeit leer stehenden, rund 18 000 Quadratmeter großen Geländes des ehemaligen Ufa-Film-Kopierwerks in Tempelhof war quasi ein generalstabsmäßig geplanter Piratenakt mit einem groß angelegten Ablenkungsmanöver in Kreuzberg. Der gelungene Coup blieb zunächst unbemerkt, machte dann aber bundesweit Schlagzeilen wie ein Donnerhall. Die völlig überrumpelten Kommunalpolitiker vor Ort in Tempelhof standen wie die sprichwörtlich begossenen Pudel da und schäumten. Vor allem die CDU, allen voran die Junge Union, tobte förmlich vor Wut. Dieselben Leute, inzwischen nur über 40 Jahre älter, überbieten sich nun schon seit Jahrzehnten geradezu ob des Lobes. Kein Wunder: Hatte sich die alternative Kulturfabrik am Ufer des Teltowkanals doch in nur wenigen Jahren zum nicht mehr wegzudenkenden Tempelhofer und Berliner Kulturstandort vom Feinsten entwickelt.

Schon bald war die UfaKulturFabrik für die Berlin-Werbung gut

Jedenfalls brachen die Widerstände gegen das kommunemäßig aufgezogene Alternativprojekt bald kläglich zusammen. Schon in den 1980er Jahren war die inzwischen international bekannte ufaKulturFabrik sogar für die offizielle Berlin-Werbung gut. Juppi, bürgerlich Josef Becher und Ende der 1960er Jahre aus Trittenheim an der Mosel zugewandert, sieht den rundum gelungenen Coup, der sein weiteres Leben bestimmte und prägte, immer noch feixend und formuliert seine Erinnerung an den 9. Juni 1979 in etwa wie ein Geständnis: „Das war sozusagen der größte Postraub der deutschen Geschichte. Aber als das bemerkt wurde, war es zu spät.“

Juppi und seine Mitstreiter hatten allerdings auch alles getan, um zu verhindern, dass jemand das klandestine Spektakel zu früh bemerkte beziehungsweise kriminell interpretieren konnte. „Den Politikern, die etwas gegen unsere Aktion hatten, haben wir klargemacht: Wir sind nicht kriminell und wollen uns nicht verstecken. Wir wollen lediglich, dass ihr einmal herkommt und euch anschaut, was wir hier machen“, erzählt Juppi.

Eine Gedenktafel erinnert an den Zeitpunkt der Besetzung des UfaGeländes. Der gelungene Piratenakt fand am 9. Juni 1979 statt.
Eine Gedenktafel zur Erinnerung an den Zeitpunkt der Besetzung des UfaGeländes. Der gelungene Piratenakt fand am 9. Juni 1979 statt.

Den rebellischen Besetzern von einst – heute alle im Rentenalter, soweit sie überlebt haben – ist auf ihrer Gratwanderung zwischen Aufruhr und Anpassung geglückt, ein florierendes Wirtschaftsunternehmen mit zeitweise weit über 100 Arbeitsplätzen und sogar einer eigenen Grundschule für die Kommunekinder aufzuziehen. Längst ist die nächste Generation am Start und die ufaFabrik besteht heute aus mehreren Vereinen und kleinen GmbH-Einheiten wie der Bäckerei, dem Bioladen und dem Café zum Beispiel. „Wir sind ähnlich wie eine amerikanische Holdinggesellschaft organisiert“, erklärt Juppi das andauernde Erfolgsrezept. HDK


Autor und Bilder: Horst-Dieter Keitel (HDK)

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